Etwa 50% der in Deutschland begonnen Unternehmenstransaktionen scheitern. Für das „Warum“ gibt es viele Gründe. Ein Unternehmensverkauf ist ein anspruchsvoller Prozess, dessen Ergebnis für die Beteiligten meist einschneidend ist und in dem gegensätzlich gerichtete Erwartungen und Vorstellungen aufeinanderprallen. Ein hoher Kaufpreis, Unternehmenswohl und ein schneller finanzieller und organisatorischer Übergang sind die Wünsche des Verkäufers. Der Käufer möchte vor allem Sicherheit für seine Investition. Dazu gehört unter anderem ein möglichst geringer Kaufpreis und die Möglichkeit, einen Teil davon mit Hilfe von Verkäuferdarlehen und Earn Out oder Rückbeteiligungen später zu bezahlen.
Zwischen beiden Parteien besteht ein Informationsungleichgewicht. Der Verkäufer weiß alles über seinen Markt, seine Branche, seine Produkte, seine Mitarbeiter und sein Unternehmen insgesamt. Für ihn ist die Sache klar: Er gibt das Unternehmen in neue Hände und möchte am Stichtag der Übergabe möglichst viel Geld „hinter die Brandmauer“ bringen.
Sicherheit trotz Informationskonflikt
Der Käufer hat zwar in der Due Dilligence einen tiefen Einblick in das Unternehmen genommen und sich den Markt von außen angesehen, aber es bleiben eine ganze Menge fraglicher Sachverhalte, bei denen er sich auf die Aussagen des Verkäufers verlassen muss. Um dieses Informationsgefälle auszugleichen wird der Käufer darauf drängen, einen Mix aus verschiedenen Instrumenten zum Einsatz zu bringen, die für Ausgleich sorgen sollen, in dem Teile des Kaufpreises in die Zukunft verschoben werden wie:
- Verkäuferdarlehen und Earn Out
- Eine Rückbeteiligung des Verkäufers am Unternehmen
Um es vorwegzunehmen: Kein Deal sieht am Ende so aus, dass der Verkäufer am Übergangstag 100% der Kaufsumme erhält, außer, er akzeptiert einen eher niedrigen Kaufpreis. Sicherheit hat hier ihren Preis. Mit dem Einsatz dieser Instrumente will sich der Käufer absichern. Für den Verkäufer steigen aber auch die Chancen, am Ende möglicherweise einen hohen Kaufpreis einzufahren.
Verkäuferdarlehen
Bei einer typischen Finanzierung für einen Unternehmensverkauf finanzieren Private Equity Unternehmen ca. 50% der Kaufsumme aus Eigenkapital und 50% aus Fremdkapital. Bei privaten Unternehmenskäufern oder strategischen Übernehmern kann der Fremdkapitalanteil noch höher sein. Erste Anlaufstelle für Fremdkapital ist auch bei Unternehmenskäufern die Bank. Doch viele Käufer wollen ihre Kreditlinien bei den Banken nicht über Gebühr strapazieren und bitten deshalb die Verkäufer um ein Darlehen zusätzlich zu den Bankkrediten. Oft bestehen auch die Banken auf das Verkäuferdarlehen, damit auch der Verkäufer mit ins Risiko geht und zeigt, wie er vom ganzen Deal überzeugt ist. So ist ein Verkäuferdarlehen oft nicht vermeiden.
Verkäuferdarlehen sind Nachrangdarlehen
Für die Gestaltung eines Verkäuferdarlehens gibt es keine festen Regeln. In der Praxis werden meist von 10-20% des gesamten Verkaufspreises dafür veranschlagt. Die Laufzeit beträgt oft 3-5 Jahre. Der Darlehensnehmer (Käufer) hat die Möglichkeit, das Darlehen vorher ohne Aufschlag zurückzuzahlen. Verkäuferdarlehen sind für gewöhnlich moderat verzinst zwischen etwa 3 und 5 % und nicht an das Erreichen irgendwelcher Leistungszahlen gebunden. Wichtig zu wissen ist, dass Verkäuferdarlehen immer nachrangig zur Bank sind. Es besteht also die theoretische und praktische Chance, den Anspruch im Falle einer Pleite des verkauften Unternehmens innerhalb der Darlehenszeit zum Teil oder ganz zu verlieren. In unserer Praxis ist dies bisher jedoch noch nicht vorgekommen. Ganz im Gegenteil: Verkäufer zahlen die Darlehen oft früher zurück als vereinbart, vor allem, wenn sie aus dem nach der Übernahme erzielten Cash heraus bezahlt werden können.
Earn Out – Regelungen
Ein Earn Out ist eine Komponente des Unternehmenskaufpreises, deren Wert daran gebunden ist, ob definierte Ziele in der Zukunft erreicht werden können. Er hat ein wenig etwas von einer Wette und ist dann ein brauchbares Instrument, um auch in schwierigen Situationen zu einem Deal zu kommen. Schwierige Situationen sind solche, die von Unsicherheiten geprägt sind. Die Bedenken werden meistens vom Käufer artikuliert.
Typische Situationen für einen Earn Out
- Stark schwankende Umsatz- und Ertragsentwicklungen in den vergangenen Jahren zum Beispiel durch Sondereinflüsse wie die Pandemie, exorbitante Frachtkosten oder Lieferstörungen.
- Kurze Unternehmenshistorie mit starkem Wachstum oder großen Sprüngen.
- Unsichere Markt- und Wettbewerbssituation.
- Unklare Entwicklungen auf den Märkten durch Kriege, Rohstoffsituationen, bevorstehende Gesetzesänderungen.
- Hohe Abhängigkeit von einzelnen Kunden oder Lieferanten und Unsicherheit, wie sich diese verhalten werden.
- Hohe Abhängigkeit vom scheidenden Eigentümer und Unsicherheit, wie das Unternehmen ohne ihn funktioniert.
- Hohe Abhängigkeit von neuen Produkten, neuen Märkten oder leitenden Mitarbeitern
Der Earn Out gibt dem Käufer Sicherheit
Diese Unsicherheiten wirken direkt auf die Unternehmensbewertung, in die ja, neben Zahlen aus den vergangenen Jahren meist auch die Ergebnisse des laufenden Jahres und Planzahlen für Folgejahre eingehen. Der Verkäufer stellt dazu Prognosen an. Eine Unternehmensbewertung wird auf dieser Basis erstellt. Der Käufer stellt sich aber in unsicheren Situationen die Frage, mit welcher Wahrscheinlichkeit die vorhergesagten Zahlen eintreffen? Werden Sie nicht erreicht, würde er das Unternehmen wohl niedriger bewerten. Der Verkäufer kann die Bedenken des Käufers oft nicht nachvollziehen. Er kennt sein Unternehmen und die Märkte besser als der Käufer und ist im Informationsvorteil. Die Unsicherheiten des Käufers sind für ihn möglicherweise keine. Ein solcher Konflikt kann nur durch den Einbau von Flexibilität in die Bewertung und die Kaufpreisermittlung gelöst werden.
Der Käufer muss den Earn Out für den Verkäufer verdienen
Das Mittel zum Zweck ist dann meist ein Earn Out. Wie der Name schon sagt, muß ein Teil des Kaufpreises noch verdient werden. Er hängt dann davon ab, ob vorher vereinbarte Ergebnisse in der Zukunft erreicht werden oder nicht. Werden sie nicht erreicht, wird der Verkaufspreis in Summe dann niedriger sein als geplant, werden sie nicht nur erreicht, sondern übererfüllt, kann der Earn Out sogar für einen höheren als den ursprünglichen Verkaufspreis sorgen.
In der Praxis wird am Verkaufstag nicht der volle Kaufpreis ausgezahlt, sondern nur ein Teil davon (meist ein Großteil) und der Rest in den Folgejahren, sofern die Prognosen erreicht wurden.
Gestaltungsmöglichkeiten für einen Earn Out gibt es wortwörtlich ohne Ende. Wichtig sind vor allem 3 Komponenten.
Bemessungsgrundlage
Theoretisch können alle messbaren Größen als Grundlage für eine Earn Out-Regelung herangezogen werden wie zum Beispiel die Anzahl von Auftragsabschlüssen oder die neuer Kunden. Meistens geht es aber um Finanzzahlen wie Umsatz, Rohertrag oder Ebit/Ebitda. Je weiter unten die Finanzzahl in der GuV steht, desto komplexer ist die Umsetzung als Bemessungsgrundlage. Umsätze und Roherträge lassen sich vergleichsweise einfach ermitteln. Ebit und Ebitda unterliegen Einflüssen aus vielen Positionen in der GuV und unterliegen deshalb einem größeren Gestaltungsspielraum durch den Käufer. Dieser Spielraum muss vom Verkäufer und seinen Beratern so klein wie möglich gefasst werden. Der Käufer soll das Ebit beispielsweise durch den Aufbau von Kosten nicht „kaputtrechnen“ können, um so um einen Teil des Kaufpreises herumzukommen. Hier braucht es von vornherein klare Vereinbarungen, wie das Ebit oder eine andere Bemessungsgröße während der Laufzeit des Earn Outs berechnet werden soll. Zumal sich der Verkäufer ja möglicherweise gar nicht mehr im Unternehmen befindet und keinen Einfluss mehr ausüben kann.
Laufzeit
Mit einer Earn Out – Regelung kann man die Diskrepanz zwischen einer Unternehmensbewertung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses und der tatsächlich eingetretenen Entwicklung überbrücken. Insofern sollten Earn Outs den Zeitraum abdecken, der zum Zeitpunkt der Bewertung noch Zukunft ist. Meistens geht es dabei um das laufende Jahr und die folgenden Jahre, soweit sie eben in die Bewertung eingehen.
Gestaltung der Zahlungen
Bei diesem Punkt setzt nur die persönliche Fantasie der Gestaltungsfreiheit Grenzen. Die Spannbreite reicht von sehr einfachen Regelungen bis zu elaborierten Vereinbarungen.
Bei einfacher Regelung wird bei Erreichung eines Wertes ein bestimmter Betrag ausgezahlt, bei Nichterreichung eben nicht. Übererfüllungen ändern den Auszahlbetrag nicht.
Bei elaborierteren Regelungen führen Abweichungen vom Zielwert bis zu einem Mindest- oder Maximalwert zu abweichenden Auszahlungen in positive oder negative Richtung. Auch eine gewisse Dynamik kann in die Regelungen eingebaut werden.
Vorteile von Earn Out-Lösungen
- Earn Outs können unterschiedliche Ansichten von Verkäufern und Käufern zur Entwicklung eines Unternehmens innerhalb des zukünftigen Bewertungszeitraumes überbrücken.
- In Situationen von Unsicherheiten im Unternehmen oder auf den Märkten kann das Risiko zwischen beiden Parteien verteilt werden.
- Eine gut gemachte Earn Out-Regelung führt am Ende zu einem „gerechten“ Verkaufspreis.
- Earn Outs sind häufige die einzige Möglichkeit, in unsicheren Situationen überhaupt einen Verkauf zustande zu bringen.
Nachteile von Earn Out-Lösungen
Es gibt eigentlich nur einen Nachteil: Der Regelungsbedarf ist groß, damit insbesondere für den Verkäufer keine Nachteile entstehen. Dies führt oft zu langwierigen Verhandlungen. Das Hauptproblem ist, dass der Verkäufer bis zum Ende der Laufzeit noch gewichtige Ansprüche gegen die neuen Eigentümer hat, aber seine Rolle im Unternehmen und sein Einfluss mit fortschreitender Zeit schwindet. Er kann keine Kontrolle mehr ausüben über Ereignisse, die eine Earn Out Auszahlung möglicherweise negativ beeinflussen. Vielleicht stellt sich der neue Eigentümer nur schlecht an und sorgt für schlechte Renditen oder hohe Kosten. Am Ende wird ein Ebit-basierter Earn Out verfehlt und der Verkäufer soll auf einen Teil des Kaufpreises verzichten, obwohl er nichts dafürkann. Ein guter M&A-Berater weiß, welche Punkte vereinbart werden müssen, damit so etwas vermieden wird. Er muss aber auch klar sagen, dass sich nicht alle Eventualitäten voraussagen oder durch Regelungen abdecken lassen.
Fazit Earn Out
Bei vielen Verkäufen ist eine Earn Out – Regelung die einzige Möglichkeit, um überhaupt zu einem Deal zu kommen oder um einen eher hohen Kaufpreis zu erreichen.
In einer Unternehmensbewertung spielt die nahe Zukunft immer eine große Rolle. Der Käufer sieht hier meistens größere Risiken als der Verkäufer und drängt darauf, diese Risiken im Kaufpreis zu berücksichtigen. Dem Verkäufer bleibt dann nichts anderes, als sich auf eine flexible Regelung einzulassen. Auf der einen Seite ist das auch kein Nachteil für ihn, wenn seine Prognosen für die Bewertung realistisch sind und er diesen vertraut. Übertrifft der Käufer die Prognosen sogar, steigt sogar noch der Gesamtkaufpreis. Auf der anderen Seite schwindet die Kontrollmöglichkeit des Verkäufers über die Geschäftsentwicklung nach dem Verkauf. Das Erreichen des Earn Out-Ziels hängt von vielen Faktoren ab, die entsprechend verhandelt werden müssen.
Nach unserer Erfahrung sind Earn Out-Regelungen derzeit (Stand 2023) kaum zu vermeiden, da die Pandemie und deren Ende sowie die schwierige Weltlage für viel Unsicherheit sorgen. Earn Outs sind aufwendig zu verhandeln und sorgen trotz aller Abmachungen immer wieder für Auseinandersetzungen. Wichtig sind vorab eine klare Definition von realistischen Zielen und faire Vereinbarungen für die Umsetzung. Dabei sollte der Earn Out nicht zu komplex zu werden. Erfahrene M&A-Berater können hier moderieren und für ein gutes Ergebnis sorgen.
Rückbeteiligung – Put-/Call
Für den Übernehmer ist es extrem wichtig, den Verkäufer in den ersten kritischen Jahren oder Monaten dem Unternehmen gegenüber weiter zu verpflichten. Ab einer gewissen Unternehmensgröße ist es ein probates Mittel dazu, im Kaufvertrag eine Put-/Call-Struktur zu schaffen oder eine Rückbeteiligung einzubauen. Der Verkäufer ist dann weiter Anteilseigner und an einer guten Entwicklung interessiert.
Bei Put/Call wird nur der Großteil der Anteile im ersten Schritt verkauft. Zwischen 10 und 20% der Anteile bleiben beim Verkäufer. Beide Parteien vereinbaren dann Termine, zu denen der Verkäufer vom Käufer verlangen kann, weitere Anteile oder den ganzen Rest nun zu übernehmen (Put-Option) oder/und der Käufer vom Verkäufer verlangen kann, die Anteile jetzt zu übergeben.
Beim Verkauf an eine Private Equity Gesellschaft ist das Verfahren ähnlich, man spricht jedoch von einer Rückbeteiligung. Hier werden zunächst 100% der gesamten Anteile verkauft. Der Käufer ist ein Übernahmevehikel – meist eine andere neue GmbH. An dieser GmbH beteiligt sich der Verkäufer mit einem vereinbarten Minderheitsanteil. Auch hier gibt es dann Put-/Call-Optionen, die regeln, wann die restlichen Anteile an den Käufer gehen sollen.
In beiden Fällen ist es üblich, bereits bei Abschluss des Unternehmenskaufvertrages festzulegen, wie sich der Preis und die Konditionen für die zukünftige Übernahme der Restanteile durch den Käufer bilden. Das heißt, es wird nicht der Preis für die Anteile als absoluter Wert von vornherein bestimmt, sondern die Vorgehensweise bei der zukünftigen Unternehmensbewertung.
Wichtig: Vorn vornherein an das Ende denken
Verkäufer, die zum ersten Mal ein Unternehmen verkaufen, reagieren auf den Käufervorschlag, noch Anteile zu halten und dem Unternehmen weiter verbunden zu sein, oft instinktiv ablehnend. Das ist auch verständlich, denn sie wollen ja eigentlich verkaufen und sich neu orientieren. Die Aufnahme von Put-/Call-Optionen oder Rückbeteiligungen in eine Dealstruktur kann jedoch für beide Parteien vorteilhaft sein. Der Käufer bekommt mehr Sicherheit in Bezug auf das Interesse des Verkäufers, den Verkauf zu einem Erfolg werden zu lassen und er kann mit weniger Fremdkapital auskommen. Der Verkäufer profitiert (hoffentlich) davon, dass der Käufer mit seiner Unterstützung das Unternehmen in den ersten Jahren nach dem Verkauf größer und wertvoller macht. Eine Unternehmensbewertung zum Übernahmezeitpunkt der Restanteile fällt dann höher aus als zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses. So kann sich der Verkauf der Restanteile für den Verkäufer am Schluss noch als echtes „Sahnehäubchen“ erweisen.
Bis dahin gibt es aber auch Konfliktpotenzial. Während der Haltezeit der Restanteile durch den Verkäufer sind sicher beide Parteien an einer guten Entwicklung des Unternehmens interessiert. Über den Weg dahin lässt sich aber trefflich unterschiedlicher Meinung sein. Bei den üblichen Anteilsgrößen von weniger als 25% hat der Verkäufer generell kaum Gestaltungsmacht und kann mit seinem Know how und seiner Erfahrung im Thema nur beratend wirken.
Fazit Verkäuferdarlehen, Earn Out und Rückbeteiligung
Drei Instrumente beim Unternehmensverkauf, um Kaufpreisteile vom Tag der Übernahme (Stichtag) in die Zukunft zu verschieben. Für beide Parteien ist das ein oft schwer zu überwindender Interessenkonflikt, denn jede Seite hat gut Gründe. Für den Verkäufer sind letztendlich Verkäuferdarlehen, Earn Out und eine Rückbeteiligung Kaufpreisteile mit Fragezeichen, bei denen er zur Realisierung nicht mehr eingreifen kann. Andererseits kann sich der Käufer bei der Transaktion ohne diese Flexibilität oft nur auf einen von vornherein geringeren Kaufpreis einlassen. In der Praxis sind die drei Instrumente – wenn auch nicht immer alle auf einmal – bei nahezu jedem Deal Bestandteil. Es obliegt dann den Beratern beider Parteien gute Kompromisse auszuarbeiten.
Tip: In unserem Artikel Der Unternehmenswert ist nicht gleich der Kaufpreis erläutern wir den Weg vom Unternehmenswert zum Kaufpreis.